Der Kopfstand im Yoga ist für viele Yoga-Übende etwas Mystisches, ein Endziel und ein Endgegner. In der eigenen Vorstellung ist es so etwas wie der Idealzustand der Dinge, überspitzt formuliert, der Idealzustand des Lebens. Eine Beschreibung des körperlichen und geistigen Zustands.

Aber, wie so oft im Leben (und auch in der Selbstständigkeit) ist der Weg dahin wenig romantisch: Das, was so leicht aussiehst, bedarf viel konsequenter Übung und einer Beharrlichkeit, die Dinge immer wieder (neu) auszuprobieren – unabhängig davon, wie das Ergebnis aussieht und wie oft ich kopfüber rolle oder schief und schräg stehe. Ich übe seit 15 Jahren regelmäßig Yoga, kenne unterschiedliche Stile und habe viel Zeit auf der Matte verbracht. Mein Kopfstand auf diesem Schnappschuß ist, wenn das kritische Auge ihn betrachtet, nicht perfekt. Doch genau darum geht es im Yoga ja NICHT. Hätte ich von Anfang an an das perfekte Ergebnis gedacht, hätte ich wahrscheinlich gar nicht angefangen, meinen Körper und Geist stark zu machen für diese Umkehrstellung. Das wäre schade gewesen, denn wenn man einmal die Welt verkehrt herum betrachtet hat, lebt es sich leichter. Ich habe mir also den Kopfstand über einen langen Zeitraum in kleine Häppchen aufgeteilt, habe bewusst den Druck raus genommen (“Du bist auch gut, wenn Du heute keinen Kopfstand schaffst, dann bist Du einfach noch nicht so weit”) und habe geübt, geübt, geübt. Habe Wände schmutzig gemacht, meinen Partner dazu gebracht, meine Füße zu halten, die Turnmatte meines Sohnes als Auffangnetz benutzt.

Und dann? Eines Tages gingen die Füße nach oben, ein paar Atemzüge gehalten und dann wieder nach unten. Kindshaltung. Ausruhen. Und ein verdammt großes Grinsen im Gesicht und die Erkenntnis: “Es ist so wie möglich, wenn ich mir Zeit nehme, klein anfange, und mich nicht unterkriegen lasen, auch dann, wenn ich denke, nix geht.”
Denke immer daran, es ist in der Selbstständigkeit genau so: Zeit, Mut, Geduld, Üben, Ausprobieren, Hartnäckigkeit und Milde treffen aufeinander!

Eure Ruth